Teilhabe im Gesundheitswesen verbessern: Diversitätskompetenz in den Curricula der Ausbildungs- und Studiengänge verankern
Teilhabe im Gesundheitswesen verbessern: Diversitätskompetenz in den Curricula der Ausbildungs- und Studiengänge verankern

Teilhabe im Gesundheitswesen verbessern: Diversitätskompetenz in den Curricula der Ausbildungs- und Studiengänge verankern

Poster | Raum: Flure im 2. OG

Referent:innen: Prof. Dr. Ilka Benner, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Maria Barthel, HAWK – Gesundheitscampus Göttingen, Dr. Doreen Müller, Universität Göttingen & Dr. Christin Scheidler, HAWK – Gesundheitscampus Göttingen

Wie kann mehr gesundheitliche Teilhabe für alle Menschen – unabhängig von Geschlecht, Alter, Ethnizität, Religion und Weltanschauung, dem sozialen Status oder der individuellen Körperlichkeit – erreicht werden? Welche Rolle spielen dabei Diversity-Kompetenzen der Fachkräfte im Gesundheits- und Sozialwesen und wie können sie in Forschung, Lehre und Praxis verankert werden? Über diese und weitere Fragen diskutierten im September 2022 rund 100 Vertreter*innen verschiedener Professionen des Gesundheits- und Sozialwesens am Gesundheitscampus Göttingen.



Donnerstag, 26.09. | 16.00 - 17.30 Uhr | Posterbegehung: Hochschulprojekte / Forschungsprojekte |

 

Teilhabe im Gesundheitswesen verbessern: Diversitätskompetenz in den Curricula der Ausbildungs- und Studiengänge verankern

Referent:innen: Prof. Dr. Ilka Benner, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Maria Barthel, HAWK – Gesundheitscampus Göttingen, Dr. Doreen Müller, Universität Göttingen & Dr. Christin Scheidler, HAWK – Gesundheitscampus Göttingen
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mail: i.benner@ostfalia.de


Auf dem interprofessionellen Fachtag „Gesundheit für alle! Diversity-Kompetenz im Gesundheits- und Sozialwesen weiterentwickeln“ wurden in Vorträgen, interaktiven Foren und im Rahmen einer Podiumsdiskussion aktuelle Erkenntnisse zum Thema vorgestellt, diskutiert und Handlungsmöglichkeiten für die Lehre und Praxis ausgelotet. Aus dieser Tagung ist eine Handreichung entstanden, die im März 2024 unter dem Titel „Diversität lehren in Studiengängen des Gesundheits- und Sozialwesens“ veröffentlicht wurde. Das Poster soll die zentralen Ideen und Thesen des Fachtages mit einem Fokus auf die Lehre in gesundheitsbezogenen Studiengängen präsentieren. Aufbauend auf der Kurzpräsentation am Poster soll mit den Anwesenden weitergedacht werden: Im Mittelpunkt steht die Frage, wie Diversität und die Weiterentwicklung von Diversity-Kompetenzen im Studium bzw. in der Lehre verankert werden können.

Die Fachtagung 2022 zeigte auf, dass die Weiterentwicklung der Diversity-Kompetenz der Fachkräfte im Gesundheitswesen ein entscheidender Ansatzpunkt ist, um die gesundheitlichen Teilhabechancen von Menschen – unabhängig von ihren je individuellen Hintergründen – zu verbessern. Dafür müssen Diversity-Themen in den Curricula der gesundheitsbezogenen Studiengänge verankert werden.

Denn das Gesundheitswesen stellt einen Bereich hoher Vulnerabilität dar, in dem Patient*innen, Mitarbeitende und andere Akteur*innen (z. B. Besucher*innen) Ausgrenzung und/oder Diskriminierung erleben, wenn sie den gängigen Normen nicht entsprechen. So berichten bspw. queere Menschen, Menschen mit Migrationsgeschichte, ältere Menschen, Menschen mit hohem Körpergewicht oder Menschen mit Behinderungen von Diskriminierungserfahrungen beim Zugang zur Gesundheitsversorgung (z. B. Versagung von Behandlung, Ausschluss von Assistenzhunden) oder in der Interaktion mit den Fachkräften (abwertende Kommentare, nicht ernst genommen werden, usw.) (Bartig et al., 2021). Es wird jedoch davon ausgegangen, dass Diskriminierungserfahrungen weitgehend unsichtbar bleiben, weil dazu bisher kaum Daten vorliegen (z. B. Kieckbusch & Franke, 2022).

Curricula stellen ein institutionell organisiertes Bildungsangebot für den gesundheitsbezogenen Bereich dar und schreiben ein konsistentes System zur Realisierung von Lehrveranstaltungen und zur Überprüfung der Lernergebnisse in den gesundheitsbezogenen Studiengängen fest (z. B. Darmann-Finck & Muths, 2018). Um herauszufinden, welche Rolle Diversität in den Curricula der gesundheitsbezogenen Studiengänge bereits spielt, ist Curriculumforschung notwendig – also eine Bestandsaufnahme und Analyse der vorhandenen Curricula.

Erste Untersuchungen zeigen, dass sich diversitätsbezogene Themen noch nicht in ausreichendem Maße als verpflichtendes Element in den Curricula der gesundheitsbezogenen Studiengänge finden (vgl. z. B. für die schulische Ausbildung, Seeland et al., 2020). Bereits der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung im Jahr 2011 verwies – damals noch in Bezug auf Genderkompetenz – auf eine wenig ermutigende Situation hinsichtlich einer Verankerung von Genderkompetenz in den Curricula von Lehramtsstudiengängen (BMFSFJ, 2011). Nur wenige der Modulbeschreibungen waren durchgehend mit geschlechtergerechter Sprache ausgestattet, Verweise auf die Arbeiten bzw. Theorien einschlägiger Wissenschaftlerinnen fehlten in Gänze. Diversity-Kompetenz wurde zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in den Fokus genommen. Inzwischen hat sich der wissenschaftliche und öffentliche Diskurs auf weitere Diversitätsdimensionen und ihre intersektionalen Verknüpfung ausgeweitet.

Dennoch stellt die Integration umfassender Diversitätsaspekte in die Curricula gesundheitsbezogener Studiengänge ein Desiderat dar. Wenngleich positive Beispiele wie die Neustrukturierung des Medizinstudiengangs an der Charité in Berlin existieren (Ludwig et al., 2020), fehlt es an flächendeckender curricularer Abbildung des Themas Diversitätssensibilität in allen gesundheitsbezogenen Studiengängen sowie einer didaktischen Struktur zur Entwicklung professionsadäquater Diversitätskompetenz. Hilfreich für die konkrete Arbeit an den Curricula wäre eine Datenbank zu Diversity Curricula, ähnlich wie die „Gender Curricula“ des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW, die „Vorschläge zur Integration von Lehrinhalten der Genderforschung in die Curricula von Studienfächern“ bereitstellen (https://www.gender-curricula.com/gender-curricula-startseite). In den Gender Curricula sind Hinweise für Genderbezogene Lehrinhalte z. B. in den Pflegewissenschaften https://www.gender-curricula.com/curriculum/pflege-und-gesundheitswissenschaften, der Physiotherapie https://www.gender-curricula.com/curriculum/physiotherapie und Public Health https://www.gender-curricula.com/curriculum/public-health zu finden, die fundierte Anregungen für eine entsprechende Weiterentwicklung bestehender Curricula geben.

Nicht zuletzt ist Forschung zu Diversity-Themen nötig, um wissenschaftliches Wissen für diversitätsbezogene Lehrinhalte in gesundheitsbezogenen Studiengängen bereitzustellen. Hier besteht gerade in den erst jüngst akademisierten Berufen großer Forschungsbedarf. Das Poster stellt gibt Anregungen zur Umsetzung einer diversitätssensiblen Ausgestaltung von Lehre und Forschung, um diese Entwicklungen weiter voranzubringen, und stellt einen Anlass zum Austausch innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Verfügung.

Literatur

  • Bartig, Susanne, Kalkum, Dorina, Le, Ha Mi & Lewicki, Aleksandra (2021). Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen – Wissenstand und Forschungsbedarf für die Anti- Diskriminierungsforschung. Berlin: Antidiskriminierungsstelle des Bundes.
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend BMFSFJ (2011). Erster Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. https://www.bmfsfj. de/bmfsfj/service/publikationen/erster-gleichstellungsbericht-80428
  • Darmann-Finck, Ingrid & Muths, Sabine (2018). Curriculumforschung und -entwicklung. Studienbrief 1 für den Studiengang Berufspädagogik in Gesundheits- und Sozialberufen. Hamburg: Hamburger Fern-Hochschule.
  • Kieckbusch, Dorthe & Franke, Sebastian (2022). Respekt und Begegnung auf Augenhöhe. Interview zum Umgang mit Vielfalt im Gesundheitswesen, in: Hamburger Ärzteblatt. Zeitschrift der Ärztekammer Hamburg und der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, 03(22), S. 14–15.
  • Ludwig, Sabine, Dettmer, Susanne, Wurl, Wiebke, Seeland, Ute, Maaz, Asia & Peters, Harm (2020). Evaluation of curricular relevance and actual integration of sex/gender and cultural competencies by final year medical students: effects of student diversity subgroups and curriculum. In GMS Journal for Medical Education 2020, 37(2), S. 1–19.
  • Seeland, Ute, Dettmer, Susanne, Ludwig, Sabine, Kaczmarczyk, Gabriele, Kohl, Ralph & Kühn, Kristin (2020). Aktueller Stand der Integration von Aspekten der Geschlechtersensibilität und des Geschlechterwissens in Rahmenlehr- und Ausbildungsrahmenpläne, Ausbildungs- konzepte, -curricula und Lernzielkataloge für Beschäftigte im Gesundheitswesen. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Berichte/Gutachten_ Integration_von_Aspekten_der_Geschlechtersensibilitaet.pdf
Prof. Dr. Ilka Benner, Maria Barthel, Dr. Doreen Müller, Dr. Christin Scheidler
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