Partizipation weiter gedacht – Beteiligung von Erfahrungsexperten an der Hochschulbildung von Gesundheitsfachberufen
Partizipation weiter gedacht – Beteiligung von Erfahrungsexperten an der Hochschulbildung von Gesundheitsfachberufen

Partizipation weiter gedacht – Beteiligung von Erfahrungsexperten an der Hochschulbildung von Gesundheitsfachberufen

Poster | Raum: Flure im 2. OG

Referent:innen: Prof. Dr. Doris Eberhardt & Luisa-Maria Kraus, Technische Hochschule Deggendorf

Ausgehend davon, Personzentrierung systematisch als Lerngegenstand in das Pflegestudium zu integrieren, rückte das Konzept Service User Involvement in den Fokus. Ein Scoping Review soll die notwendigen Informationen zur Implementierung des in der deutschen Pflegebildungslandschaft weitgehend unbekannten Konzepts liefern.



Donnerstag, 26.09. | 16.00 - 17.30 Uhr | Posterbegehung: Hochschulprojekte / Forschungsprojekte |

 

Partizipation weiter gedacht – Beteiligung von Erfahrungsexperten an der Hochschulbildung von Gesundheitsfachberufen

Referent:innen: Prof. Dr. Doris Eberhardt & Luisa-Maria Kraus, Technische Hochschule Deggendorf
Email: doris.eberhardt@th-deg.de


Einleitung

Qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung bedeutet nicht nur, Gesundheitsleistungen nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu erbringen. Eine zweite zentrale Forderung ist die personzentrierte Gestaltung der Gesundheitsversorgung. Internationale Gesundheitsorganisationen wie die WHO stellen Personzentrierung in den Mittelpunkt ihrer strategischen Bemühungen. Auch in Deutschland haben personzentrierte Grundsätze Einzug in gesundheits- und bildungspolitische Entwicklungen gefunden. Die Befähigung zu personzentriertem Handeln gilt auch in der Ausbildung akademischer Gesundheitsberufe explizit als Bildungsziel (Hochschulrektorenkonferenz, 2021). Personzentriertes Handeln erfordert spezifische Fähigkeiten, Haltungen und persönliche Eigenschaften. Es gilt daher, Personzentrierung als Lerngegenstand curricular zu systematisieren und die Lehr-Lernkultur so zu verändern, dass die Entwicklung personzentrierter Kompetenzen bestmöglich unterstützt wird.

Hintergrund

Deutschland steht in der systematischen und theoriegeleiteten Aufarbeitung von Personzentrierung als Lerngegenstand in der Pflegebildung ganz am Anfang. Die Entwicklung eines Teilcurriculums im Studiengang Pflege an der Technischen Hochschule Deggendorf (THD) sollte dieser Anforderung Rechnung tragen (Eberhardt, 2023). In diesem Zusammenhang rückte die Forderung, die lebensweltliche Perspektive der Personen, die Gesundheitsleistungen nutzen, angemessen einzubeziehen. Einen vielversprechenden Ansatz stellt in diesem Zusammenhang das Konzept Service User Involvement (SUI) dar. Dieser international etablierte Ansatz zielt darauf ab, Nutzer von Gesundheitsleistungen als sogenannte Experts by Experience (EbEs) partizipativ an der Hochschulbildung zu beteiligen. Abgeleitet aus der partizipativen Gesundheitsforschung schlägt Tola (2018) ein Stufenmodell der Partizipation von EbEs in Bildungsprozessen vor. Professionelle und EbEs sollen auf Augenhöhe zusammenarbeiten und Entscheidungen gemeinsam treffen, indem diese in Form einer echten Partizipation durch „Konsultation“, „Kooperation“ oder „gemeinsamen Lernen & Lehren“ herangezogen werden (Abb.1). Dabei beteiligen sich EbEs beispielsweise an der Herstellung von Lehrmaterialien, dialogischen Lehr-Formaten, studentischen Projekten oder der Planung und Gestaltung von Seminaren. Formate, in denen EbEs als „Quotenvertreter“ oder bloße Informationsquelle instrumentalisiert werden, lassen sich demnach ebenso wenig echter Partizipation zuordnen, wie Bildungsangebote, die autonom durch EBEs entwickelt, durchgeführt und verantwortet werden (Tola, 2018).

Zielsetzung

Ausgehend von den Erfordernissen zur curricularen Systematisierung von Personzentrierung als Lerngegenstand (Eberhardt, 2023), soll SUI systematisch in die gesundheitsbezogenen Studienprogramme an der THD integriert werden. Konkrete SUI-Formate sollen entwickelt, erprobt und evaluiert werden. Ebenfalls sollen die zur effektiven Umsetzung erforderlichen Rahmenbedingungen analysiert und etabliert werden. Da an der THD keinerlei Vorwissen und Erfahrungen zu SUI vorliegen, erforderte die Projektplanung in im ersten Schritt eine umfassende und systematische Klärung des Konzepts. Folgende Fragestellung sollte beantwortet werden: Wie lässt sich das Konzept SUI in der Bildung von Gesundheitsfachberufen bezüglich Merkmalen, Zielen, Umsetzungsvoraussetzungen und – formaten beschreiben? Die Ergebnisse sollten zum einen für die Projektplanung herangezogen und zum anderen der wissenschaftlichen Community zur Verfügung gestellt werden, um diese über das Konzept zu informieren.

Methoden

Der Scoping Review wurde gemäß der Leitlinie zum Erstellen eines Scoping Reviews des Joanna Briggs Instituts durchgeführt. Die systematische Recherche wurde in den elektronischen Datenbanken MEDLINE via Pubmed, ERIC, und CINAHL via EBSCO durchgeführt. Eingeschlossen wurden englischsprachige, empirische Originalarbeiten oder Übersichtsarbeiten deren Konzept einer echten Partizipation (Konsultation, Kooperation und Gemeinsames Lehren und Lernen) nach Tola (2018) entspricht und in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Gesundheitsfachberufen zur Anwendung kam. Aufgrund der während der Recherche identifizierten fehlenden Reife des Konzeptes wurden alle Papiere vor 2015 ausgeschlossen. Die Datenextraktion erfolgte anhand einer selbst entwickelten Tabelle, deren Kategorien aus dem Erkenntnisinteresse abgeleitet wurden. Innerhalb dieser Kategorien wurden die ausgewählten Ankerbeispiele induktiv und datengetrieben, unter Anwendung der Methode zur qualitativen Inhaltsanalyse, analysiert.

Ergebnisse

Das Vorgehen und Flowchart der systematischen Suche sowie ausgewählte Erkenntnisse zu den Konzeptmerkmalen werden im Poster narrativ und visualisiert dargestellt und in drei Kategorien unterteilt:

  1. Beginnend beschreiben generelle Informationen Erkenntnisse zu den gefundenen Synonymen von SUI, den Fachdisziplinen, in denen SUI zu Einsatz zu kommt, zu den Charakteristika und Art der Erfahrungsexpertise der EbEs, zu den an der Umsetzung beteiligten Stakeholdern sowie deren Art der Beteiligung.
  2. Innerhalb der Vorbedingungen werden zur Umsetzung zwingend erforderliche Voraussetzungen beschrieben. Dabei wird unterschieden zwischen Voraussetzungen, die den Erfahrungsexperten selbst betreffen, sowie Erfordernissen, welche die Verhältnisse und umgebenden Strukturen betreffen.
  3. Zudem werden die unterschiedlichen Formate und Stufen der Partizipation beschrieben, die im Rahmen von SUI ungesetzt werden, sowie die Rollen der EbEs innerhalb der partizipativen Formate einnehmen.

Diskussion und Ausblick

Der Review bereitet SUI-Formate in der Hochschulbildung von Gesundheitsfachberufen auf und grenzt echt partizipative SUI-Formate ab. Diese bewährten Praktiken dienen als Vorbild für die weitere Projektplanung an der THD. Dabei fördern vor allem internationale Forschungsprojekte sowie politische Anforderungen SUI an Bildungsprozessen von Gesundheitsfachberufen. Beschreibungen der partizipativen Aspekte der SUI-Formate sind oft intransparent, was ein Einordnen in Stufen erschwert. Trotz zunehmender Autonomie der EBE und echter Partizipation sind Übergänge unscharf und nicht partizipative Aspekte sind präsent. Aufgekommene Fragestellungen, wie zum Beispiel, welchen Stellenwert bestimmte Elemente in der Praxis haben oder wie sich erforderliche Strukturen und Rahmenbedingungen praktisch realisieren lassen, müssen in weiteren Forschungen geklärt werden. Weiterführend fließen die Ergebnisse aus dem Review in die Entwicklung eines Konzepts zur theoriebasierten Evaluation ein, das uns erlauben soll, den Einfluss der zahlreichen, mit SUI im Zusammenhang stehenden Variablen auf den Erfolg des Konzepts verstehen und im Implementierungsvorhaben berücksichtigen zu können.

Literatur

  • Dach, C. von, Mayer, H., Auer, C., Bartolomeoli, T., Cardiff, S. & Cartaxo, A. (Hrsg.). (2023). Personzentrierte Pflegepraxis: Grundlagen für Praxisentwicklung, Forschung und Lehre (1. Auflage). Hogrefe.
  • Eberhardt, D. (2023). Personzentrierung als Lerngegenstand im Pflegestudium. In C. von Dach, H. Mayer, C. Auer, T. Bartolomeoli, S. Cardiff & A. Cartaxo (Hrsg.), Personzentrierte Pflegepraxis: Grundlagen für Praxisentwicklung, Forschung und Lehre (1. Auflage, S. 218–232). Hogrefe.
  • Tola, E. (2018). Genesungs- und Krankheits­erfahrungswissen dem Fachwissen ebenbürtig vermitteln. PADUA, 13(1), 21–28. https://doi.org/10.1024/1861-6186/a000411
Prof. Dr. Doris Eberhardt & Luisa-Maria Kraus
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