Community Nursing zwischen gesundheitsbezogener Klimakompetenz und Disaster Literacy
Community Nursing zwischen gesundheitsbezogener Klimakompetenz und Disaster Literacy

Community Nursing zwischen gesundheitsbezogener Klimakompetenz und Disaster Literacy

Vortrag | Raum: Mehrzwecksaal (2. OG)

Referent:innen: Anita Sackl, Gesundheit Österreich GmbH, Karl Dieter Brückner & Dr. Elisabeth Rappold, Gesundheit Österreich GmbH

Die Pflege steht in allen Versorgungssettings vor aktuellen und zukünftigen klimabedingten Herausforderungen. Community Nursing nimmt im extramuralen Bereich eine bedeutende Rolle für Bürgerinnen und Bürger ein und bedarf einer professionellen Stärkung neuer Kompetenzen.



Donnerstag, 26.09. | 11.15 - 12.45 Uhr | Vorträge 2: Besondere Herausforderungen |

 

Community Nursing zwischen gesundheitsbezogener Klimakompetenz und Disaster Literacy

Erste Erfahrungen aus der Praxis in Österreich

Referent:innen: Anita Sackl, Gesundheit Österreich GmbH, Karl Dieter Brückner & Dr. Elisabeth Rappold, Gesundheit Österreich GmbH
Email: anita.sackl@goeg.at


Hintergrund und Motivation

Seit 2022 sind Community Nurses in 116 bundesweiten Community‐Nursing‐Pilotprojekten des österreichischen Aufbau- und Resilienzplans tätig. Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken, das Wohlbefinden zu verbessern und älteren Menschen den Verbleib in der eigenen Wohnung zu ermöglichen, nicht zuletzt durch die Stärkung der Selbsthilfe der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Ein zentrales Element ist der präventive Hausbesuch für Menschen über 75 Jahre. Im Rahmen von präventiven Hausbesuchen und Aktivitäten im kommunalen Setting zeigen sich neben spezifische Herausforderungen wie Vereinsamung oder wahrgenommener häuslicher Gewalt auch neue klimabedingte Anforderungen. Indessen die begleitenden Schulungs- und Vernetzungsmaßnahmen Orientierung und Fachinhalte bieten, präsentieren klimabedingte Herausforderungen einen neuen Fokus in der Pflege und im kommunalen bzw. extramuralen Setting. Erste Erfahrungen während Hitzeperioden und eines Hochwasserereignisses im Sommer 2023 zeigen die notwendige Entwicklung einer professionellen gesundheitsbezogenen Klimakompetenz und Disaster Literacy auf. Die Mitwirkung in der Konzeption der Katastrophenschutzplanung im kommunalen Setting und im Krisen- und Katastrophenmanagement sind zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger weitere bedeutende Aspekte. Der Beitrag fasst die Erkenntnisse aus der Praxis zusammen und liefert damit erste Anhaltspunkte für den österreichischen Kontext.

Beschreibung des Projekts

Die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels sind in Österreich bereits spürbar. Neben extremen Wetterereignissen wie Niederschlägen oder Stürmen und Mücken (Infektionskrankheiten) oder Pollen (Allergien) wird als eine der gravierendsten Auswirkungen auf die Gesundheit die Hitze erwartet. Demografische Veränderungen im Falle einer alternden Bevölkerung erhöhen die Anfälligkeit dieser. (APCC, 2018)
In den österreichischen Pilotprojekten sind Community Nurses in multidisziplinären Teams an der Schnittstelle zwischen dem Sozial- und dem Gesundheitssektor tätig. Sie sind in städtischen und ländlichen Settings aktiv und bei aktuellen und zukünftigen Notfällen, Krisen und Katastrophen vor Ort. Im Sommer 2023 wurden einzelne Community Nurses mit zwei klimabedingten Ereignissen konfrontiert. Mehreren österreichischen Regionen waren von Hitzewellen betroffen und Community Nurses setzten Maßnahmen, um gesundheitliche Folgen für gefährdete Personen zu vermeiden. Die Maßnahmen umfassten drei bedeutende Kernelemente der WHO-Leitlinien: Information und Kommunikation, besondere Aufmerksamkeit für Risikogruppen sowie Vorbeugung und Reduzierung der Hitze in Innenräumen (WHO, 2008). Weiters führten Starkregenereignisse im August 2023 zu Überschwemmungen im Süden und Südosten Österreichs. In den betroffenen Projektregionen waren Community Nurses gemeinsam mit Hausärzt:innen tätig, hielten Telefonkontakt mit alleinlebenden Menschen und/oder Menschen mit besonderen medizinischen, pflegerischen oder Dienstleistungsbedürfnissen, waren für professionelle Anfragen telefonisch erreichbar und/oder unterstützten die Notdienste und Blaulichtorganisationen in logistischen Belangen. Der Umfang und die Tätigkeiten orientierten sich an den Bedürfnissen und Anforderungen der betroffenen Region und den Bürgerinnen und Bürger.

Methoden

Das Projekt orientiert sich am Design Based Research Ansatz. In enger Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitenden von drei Modelleinrichtungen und den Forschenden werden pflegerische Innovationen in die Regelversorgung integriert. Hierfür wird eine dezentrale Lerninfrastruktur (DELI) als Kombination aus unterschiedlichen arbeitsnahen Lernkontexten etabliert, wie Lerninseln, eine digitale Lernumgebung mit online-gestützten Angeboten für selbst gesteuertes Lernen und lernförderliche Arbeitsformen, wie Tandemarbeit und dafür qualifizierte Lernbegleiter:innen. Dadurch wird die Verknüpfung von informellem, non-formalen und formellen Lernen realisiert (Dehnbostel 2022). Die Konzeption der Lehr- und Lernsituationen bzw. -materialien basiert auf der Interaktionistischen Pflegedidaktik (Darmann-Finck 2022). Parallel wird auf der organisationellen Ebene ein systematisches Wissensmangement implementiert, mit dem das im Unterrnehmen vorhandene Wissen, ausmachen, sammeln, bewerten, weiterentwickeln, dokumentieren und verteilen zu können (Lehner 2021). Im ersten Schritt wurden Bedarfserhebungen zu Wissensbeständen und zum Wissensmanagement mittels eines Mixed Methods-Designs durchgeführt, um in diesem komplexen Transformationsprozess sowohl den individuellen Präferenzen der Pflegenden als auch den Besonderheiten der Einrichtung gerecht zu werden. Unter anderem wurden in Gruppenformaten Leitfragen zu den Kernprozessen des Wissensmanagements (Lehner, 2021) verwendet, unterstützt durch die Visualisierung mit Wissenslandkarten (ebd.).

Kritische Reflexion

Community Nurses nahmen in den betroffenen Gemeinden und Regionen eine neue Rolle wahr. Indessen ein wertvoller Beitrag geleistet wurde, berichteten sie von persönlichen, beruflichen und organisatorischen Herausforderungen und zeigten notwendige weitere Entwicklungsschritte im Rahmen von Community Nursing auf. Klima- und demografische Veränderungen haben gesundheitliche Folgen und erfordern Maßnahmen des Klimaschutzes, der Prävention, der Anpassung und Resilienz. Community Nurses bzw. Pflegepersonen sind ein wichtiger Teil des Gesundheitssystems, welche sich durch ihre Rolle und ihre Beziehungen zu den Bürgerinnen und Bürger auszeichnet. In diesem Zusammenhang ist ihre Tätigkeit in der Prävention, in der Kommunikation und im Management von klimabedingten Ereignissen von Bedeutung bzw. nehmen sie eine Vorbildfunktion im Rahmen des Klimaschutzes ein. Hierzu bedarf es der Stärkung professioneller Handlungen und der Entwicklung eines Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebotes. Die Lernfelder einer gesundheitsbezogenen Klimakompetenz reichen von Grundlagenwissen, den Wechselwirkungen zwischen Klima und Gesundheit bis zu den Handlungsoptionen im Klimaschutz und in der Klimaanpassung. (Brugger et al., 2024) Des Weiteren müssen Aspekte der strukturellen und personellen Voraussetzungen der Pflege und Betreuung in Krisen und Katastrophen aufrechterhalten werden. Neben der Förderung von Disaster Literacy und Katastrophenvorsorge bedarf es der Mitwirkung der Pflege in der Konzeption von Katastrophenschutzplänen und des Katastrophenmanagements in diversen Versorgungssettings. (Ewers et al., 2022)

Ausblick

Klimabedingte Herausforderungen bedürfen professionelle Fachwissen für Pflegeberufe auf allen Versorgungsebenen, um adäquate Handlungen setzten zu können. Community Nurses nehmen in den kommunalen Settings eine wichtige Rolle in der Kommunikation, Prävention und im Krisen- und Katastrophenmanagement ein. Aus-, Fort- und Weiterbildungsangeboten im Rahmen der Entwicklung der gesundheitlichen Klimakompetenz und Disaster Literacy sind bedeutende Schritte für verantwortlich handelnde Berufsangehörige.

Literatur

  • APCC (2018): Österreichischer Special Report Gesundheit, Demographie und Klimawandel (ASR18). Austrian Panel on Climate Change (APCC). Verlag der ÖAW. Wien. Österreich. 978-3-7001-8427-0.
  • Brugger, Katharina; Horváth, Ilonka; Marent, Johannes; Schmidt, Andrea E. (2024): Handbuch zur Stärkung der Klimakompetenz in den Gesundheitsberufen. Gesundheit Österreich, Wien.
  • Ewers, Michael; Lessinnes, Sanne; Kibler, Angelina; Gröbe, Sebastian; Köhler, Michael (2022): Vorsorge für Krisen, Notfälle und Katastrophen in der häuslichen Pflege. Ansatzpunkte zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit ambulanter Pflegedienste und ihrer Mitarbeiter*innen. Berlin: Charité – Universitätsmedizin Berlin.
  • WHO (2008): Heat-Health-Action Plans. Edited by Franziska Matthies, Graham Bickler, Neus Cardeñosa Marín und Simon Hales. Copenhagen. WHO Regional Office for Europe. Online https://www.who.int/publications/i/item/9789289071918 [28.03.2024].  
Anita Sackl, Karl Dieter Brückner & Dr. Elisabeth Rappold
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